Sexkaufverbot: Freierbestrafung ist kontraproduktiv und gefährdet die Sicherheit von Sexarbeitern

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion spricht sich für ein Sexkaufverbot in Deutschland aus. Nachdem im Juni 2019 bereits zwei SPD-Politiker einen Vorstoß in diese Richtung gewagt haben, werden die gesetzlichen Regelungen zur Prostitution erneut diskutiert.

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Freierbestrafung zum Schutz von Prostituierten

Das Rotlichtgewerbe ist in der Vergangenheit schon öfters wegen Menschenhandel, (sexueller) Ausbeutung und Zwangsprostitution in Verruf geraten. Um derartige Praktiken zu unterbinden, möchte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nun ein neues Gesetz zum Schutz von Prostituierten einführen. Das als Schwedisches Modell (alternativ Nordisches Modell genannt) bezeichnete Sexkaufverbot soll die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen jedweder Art sowie die Unterstützung von Sexarbeitenden künftig unter Strafe stellen. Bereits im Juni dieses Jahres wurde ein ähnlicher Vorschlag von zwei SPD-Politikern eingebracht.

Aus dem Sexkaufverbot in der zur Zeit diskutierten Form ergebe sich bei Zuwiderhandlung eine Freierbestrafung. Die Prostituierten selbst, die als Anbieter sexueller Dienstleistungen fungieren, gingen straffrei aus. Der stellvertretende Vorsitzende Thorsten Frei und die Sprecherin Elisabeth Winkelmeier-Becker begründen das damit, dass man auf diese Weise ein Zeichen im Kampf gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel setzen könne, es gleichzeitig aber vermeide, Prostituierte zu kriminalisieren.

Laut Winkelmeier-Becker sei selbstbestimmte Prostitution die „Ausnahme in der Praxis“. Außerdem werde das „Frauenbild vieler Männer durch käuflichen Sex geprägt“, was für sie ebenfalls eine negative Begleiterscheinung darstellt. Es ist also durchaus so gewollt, dass das Gesetz die Frauen aus dem Sexarbeitergewerbe schützt und von der Kriminalisierung einseitig die Männer, die in der Rolle der Freier auftreten, betroffen sind.

Widerstand gegen Sexkaufverbot

Was sagen eigentlich die Sexarbeiterinnen zum Sexkaufverbot? Bei den Prostituierten stößt der Gesetzesvorstoß auf wenig Begeisterung. Hauptgrund: Man fürchtet um seine Existenzgrundlage. Sollte käuflicher Sex nämlich plötzlich illegal sein, werden die Prostituierten immer mehr Kunden verlieren bis über kurz oder lang niemand mehr ihre sexuellen Dienstleistungen aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung in Anspruch nimmt. So sieht das auch Johanna Weber, Sexarbeiterin und Vorstandsmitglied im Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD): „Die Freierbestrafung führt dazu, dass wir wesentlich weniger Kunden haben und somit wesentlich weniger verdienen.“

Ins gleiche Horn blasen zahlreiche Sexworker-Verbände, Kooperationen der Vereinten Nationen wie WHO und UNAIDS sowie Menschenrechtsorganisationen, darunter Amnesty International. Die NGO ist führend im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen und betont die Notwendigkeit von Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für Sexarbeiter. Strafrechtliche Restriktionen in Form des Schwedischen Modells seien jedoch der falsche Weg. Dies zeigen unter anderem auch viele Studien aus Ländern wie Frankreich, Schweden und Norwegen, in denen das Sexkaufverbot bereits in kraft getreten ist. Aus den Statistiken geht hervor, dass die sexuelle Gewalt und Ausbeutung nach Einführung der Neuregelung sogar zunahm. Das Sexkaufverbot hat also genau das bewirkt, was eigentlich verhindert werden sollte.

Die Experten vom TAMPEP-Netzwerk, das sich seit rund 25 Jahren vor allem den Rechten von Migranten in der Sexarbeit verschrieben hat, wundert das nicht. Sie betonen, dass ein Sexkaufverbot nichts weiter als eine Form der Entrechtung und Diskriminierung von Prostituierten wäre. Ein Anstieg der Kriminalitätsrate sei daher die logische Konsequenz.

Prostitutionsgegner spielen Sexarbeiter gegeneinander aus

Im Zuge der Debatte über das Sexkaufverbot unterlief Thorsten Frei jüngt ein peinlichen Faux Pas. Der CDU-Politiker bezeichnete Flatrates im Bereich der Prostitution als „entwürdigend“, um die Notwendigkeit einer Verschärfung der Gesetzgebung im Bereich der Prostitution nach dem Schwedischen Modell zu rechtfertigen. Dabei vergaß er jedoch, dass Flatrates durch das seit zwei Jahren geltende Prostituiertenschutzgesetz bereits verboten sind. Ein klassisches Eigentor.

Gegner des Sexkaufverbots kritisieren Äußerungen wie die von Thorsten Frei scharf. Die Verbreitung von Falschinformationen und vereinfachte Narrative könnten zu erheblichen Schäden führen, wenn es darum geht, konstruktive Lösungsvorschläge zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Sexarbeitern zu entwickeln. Das geht auch aus der Anti-Trafficking Review hervor, einer wichtigen Publikation der Globalen Allianz gegen Frauenhandel (GAATW).

Ein weiteres Problem: Einige Prostitutionsgegner scheinen sogenannte privilegierte Sexarbeiter gegen ihre Kolleginnen auszuspielen, um mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ein Verbot von käuflichem Sex durchzusetzen – am besten europaweit. Das berichten die Arbeiten des Global Network of Sex Work Projects (NSWP).

Sexkaufverbot gefährdet vor allem migrantische Sexarbeiter

Kritiker des hierzulande diskutierten Sexkaufverbots weisen darauf hin, dass es in Deutschland wie in den meisten westeuropäischen Ländern viele weibliche Sexarbeiter mit Migrationshintergrund gibt. Jedoch werde in keiner anderen Branche – Fischerei, Landwirtschaft, Baugewerbe etc. – darüber diskutiert, ob man Praktiken wie Menschenhandel entgegenwirken solle, indem den Empfängern der Dienstleistungen oder Käufern der Waren der Zugriff auf jene verweigert wird.

Entkriminalisierung von einvernehmlicher Sexarbeit gefordert

Was das Problem mit Anti-Prostitutionsgesetzen in Europa sei, führt BesD-Pressesprecherin und Sexarbeiterin Undine de Rivière in ihrem Fachbuch zum Thema „Hurenbewegung und Prostitutiertenschutzgesetz“ aus: „Die Rhetorik von Prostitutionsgegner/innen gaukelt einfache Lösungen für komplexe Probleme vor. Sondergesetze wie das Schwedische Modell verschärfen Stigmatisierung, entrechten Sexarbeiter/innen und gefährden die Existenzgrundlage von tausenden Menschen.“

Einvernehmliche Sexarbeit muss entkriminalisiert werden, damit weder den Prostituierten ihre Existenzgrundlage entzogen wird noch ein Nährboden für Praktiken wie Menschenhandel, Ausbeutung und Zwangsprostitution besteht.

Für Kritiker eines Sexkaufverbots gibt es nur eine Möglichkeit: Einvernehmliche Sexarbeit muss entkriminalisiert werden, damit weder den Prostituierten ihre Existenzgrundlage entzogen wird noch ein Nährboden für Praktiken wie Menschenhandel, Ausbeutung und Zwangsprostitution besteht.

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