NoFap: Zufriedener leben durch Masturbations-Verzicht?

Auch hierzulande bekennen sich immer mehr Leute zu der amerikanischen NoFap-Bewegung. Durch den bewussten Verzicht auf Masturbation und Pornos versprechen sich die Anhänger dieses Trends besseren Sex, mehr Selbstvertrauen und insgesamt ein zufriedeneres Leben.

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Bedeutung und Ursprung von NoFap

Für die meisten Männer – und auch für einige Frauen – ist Selbstbefriedigung Teil ihres alltäglichen Lebens. Mehrmals die Woche wird in einer ruhigen Minute masturbiert, um ein wenig Stress abzubauen oder sich einfach nur mal etwas Gutes zu tun. Seit einigen Jahren gibt es nun jedoch eine amerikanische Gegenbewegung mit dem Namen „NoFap“, die den Verzicht auf Masturbation zu ihrer Agenda erklärt. „NoFap“ leitet sich vom englischen Slangbegriff „to fap“ ab, was im Deutschen so viel bedeutet wie „masturbieren“. Demzufolge steht „NoFap“ für Masturbations-Verzicht. Die männlichen Anhänger dieser Bewegung bezeichnen sich selbst als „Fapstronauten“, die weiblichen Anhänger hingegen als „Femstronauten“.

Seinen Ursprung nahm der Trend im Jahr 2011 in der amerikanischen Stadt Pittsburgh, als NoFap-Gründer Alexander Rhodes den lebensverändernden Entschluss fasste, Selbstbefriedigung und Pornos Lebewohl zu sagen. Der Stein des Anstoßes war für ihn ein Thread auf der Online-Plattform reddit.com, in dem ein User über eine chinesische Studie von 2003 berichtete. Diese besagt, dass nach nur einer Woche Verzicht auf Masturbation der Testosteronspiegel um rund 145 Prozent steigen könne.

NoFapDen laut eigener Aussage Pornosüchtigen Rhodes veranlasste das in einem Selbstversuch dazu, fortan nicht mehr zu wichsen und gänzlich auf Pornos zu verzichten. Wie sehr sein Leben in der Zeit davor von dem Drang nach Selbstbefriedigung und Erotik-Clips im Internet bestimmt war, erklärte er gegenüber jetzt.de: „Pornos brachten mich dazu, meine Lust über alles andere zu stellen – über Liebe, Zuneigung, Einfühlungsvermögen. Keine Pornos mehr zu schauen war der Versuch, diese Fähigkeiten zurückzubekommen.“ Rhodes fügte hinzu: „Ich war ein wirklich hypersexualisierter Junge. Ich habe mindestens sechs mal am Tag masturbiert. Eine Woche oder ein Monat Pause sind da eine harte Nummer.“

Seine Erfahrungen hielt der Webentwickler und Biologe auf nofap.com fest – und tut das auch heute noch. Der Internet-Blog hat sich mittlerweile zu einem gewaltigen NoFap-Netzwerk mit Forum, Kurzgeschichten, Tipps, News-Beitragen, Erfahrungsberichten, Merchandise-Store und vielem mehr entwickelt. Kein Wunder also, dass es heutzutage auf der ganzen Welt NoFap-Anhänger gibt – auch in Deutschland.

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Die angeblichen Vorteile von NoFap

Der Testosteronspiegel beeinflusst das sexuelle Verlangen eines Mannes. Je mehr Testosteron dieser im Blut hat, desto mehr Lust auf Sex besteht normalerweise. Und wer dauerhaft auf Selbstbefriedigung verzichtet, kann mit einem Anstieg seines Testosteronspiegels rechnen. Dies zeigt auch die chinesische Studie, von der sich Rhodes zu seiner NoFap-Challenge inspirieren ließ. Dementsprechend führt Mastubartions-Verzicht zu einer gesteigerten Libido. Langfristig erhoffen sich die Anhänger der Bewegung dadurch also mehr Spaß im Bett. Intensität, Leidenschaft und Prickeln sollen das Liebesleben endlich wieder bereichern.

Im Video: Senkt Masturbation den Testosteronspiegel?

Wer auf Masturbation verzichtet, soll davon jedoch auch in anderen Lebensbereichen profitieren. So berichten Anhänger der Bewegung, dass Enthaltsamkeit zu einer dauerhaften Steigerung des Selbstbewusstseins führen könne, die Konzentration erheblich verbessert werde und man über mehr Energie verfüge. Einen religiösen Hintergrund hat NoFap hingegen nicht. Davon, dass Selbstbefriedigung eine Sünde sei oder krank mache, wie es die Kirche den Leuten lange Zeit glauben machen wollte, gehen selbst NoFapper nicht aus.

Aber auch die Vorteile, die dem Masturbations-Verzicht tatsächlich zugeschrieben werden sollen, fußen nur in Erfahrungsberichten. Ob dieser sich in der beschriebenen Weise nun wirklich auf das Leben einer Person auswirken kann, ist nicht zweifelsfrei geklärt. Ein Nachweis der Wirksamkeit konnte in der Wissenschaft bisher jedenfalls noch nicht geführt werden.

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Auswirkungen des Masturbations-Verzichts

Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, dass ein Masturbations-Verzicht biologische Vorteile für den Körper hat, gibt es nicht. Mutmaßungen gehen sogar eher in die Richtung, dass regelmäßiges onanieren gesund ist. Schließlich ist Selbstbefriedigung etwas absolut Natürliches und ein häufiger Samenerguss kann laut Studien sogar Prostata-Krebs vorbeugen.

Anders sieht es jedoch mit den sozialen und psychischen Folgen aus, die sich aus dem Drang, mehrmals täglich oder wöchentlich masturbieren zu müssen, ergeben könnten. Gefährlich wäre es vor allem, wenn sich sporadisches onanieren mit der Zeit steigert bis hin zu einem richtigen Suchtverhalten. Und einer solchen Abhängigkeit kann man mit Masturbations-Verzicht vorbeugen. Dies berichtet auch Dr. Ralf Thiel, Chefarzt der Klinik für Urologie, Kinderurologie und urologischer Onkologie der Asklepios Paulinen Klinik in Wiesbaden, gegenüber wunderweib.de: „Männer mit exzessivem Sexualverhalten werden sicher von einer entsprechenden Abstinenz profitieren. Diese Auswirkungen sind vor allem psychischer und sozialer Natur, da sich ein Suchtverhalten in diesen Gebieten am meisten auswirkt: es wird wieder mehr Zeit für Partnerschaft und Familie, Sport und Gesellschaft, kulturelle und berufliche Aktivitäten geben.“

Ähnlich sieht das die Psychologin und Sexualtherapeutin Sandra Gathmann. Allerdings warnt sie gegenüber Süddeutsche Zeitung gleichzeitig auch davor, die Prinzipien von NoFap in radikaler Weise und allzu unreflektiert zu übernehmen: „Es geht ja eigentlich um ausbalancierten Genuss. Den kann ich aber nur lernen, wenn ich nicht nur auf Abstinenz setze, sondern auch die Gestaltung lerne.“ Die Expertin rät, Masturbation nicht gänzlich aus dem eigenen Leben zu verbannen. Selbst in einer Beziehung könne es Sex und Selbstbefriedigung nebeneinander geben. Ihrer Meinung nach sei NoFap also nur bedingt sinnvoll.

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Erfahrungen mit NoFap

Da es keinen Nachweis der Wirksamkeit von NoFap in der Wissenschaft gibt und Experten lediglich Folgen für die Psyche und das soziale Leben durch zu häufige Masturbation vermuten, basiert das meiste, was man meint darüber zu wissen glaubt, auf Erfahrungsberichten. Neben einem gesteigerten Selbstbewusstsein, einer besseren Konzentrationsfähigkeit und mehr Energie berichten viele NoFapper über eine Steigerung der Emotionalität, des Glücks, der Zufriedenheit und der Attraktivität auf das andere Geschlecht.

Allerdings werden diese Auswirkungen nicht von jeder Person, die im Selbstversuch eine gewisse Zeit auf Masturbation und Porno-Videos verzichtet hat, geschildert. Aus den Erfahrungsberichten wird deutlich, dass einige Männer und Frauen dafür nicht empfänglich zu sein scheinen. Zum Beispiel berichtet Michael Brauer in einem Blog-Artikel auf fitstrongsexy.de, während seines NoFap-Experiments in den Bereichen Konzentration, Selbstbewusstsein und Produktivität keine Verbesserung festgestellt zu haben. Und auch von Muskelaufbau und Fettabbau, wozu es einigen NoFappern zufolge in der Zeit des Masturbations-Verzichts ebenfalls kommt, habe er bei sich nichts bemerken können. Er schildert lediglich eine gesteigerte Libido und höhere Attraktivität von Frauen. In seinem Blog schreibt Brauer dazu: „Ich denke öfter an Sex und ich finde viele Frauen attraktiver, die mir vor einem Monat wohl nicht aufgefallen wären. Hier denke ich, hat sich tatsächlich etwas an mir verändert.“

Wie sich an dem Erfahrungsbericht von Brauer zeigt, wirkt sich NoFap nicht auf alle Lebensbereiche positiv aus. Zudem legen die Äußerungen von Experten nahe, dass diese Bewegung nicht für jeden geeignet ist. NoFap scheint also ein zweischneidiges Schwert zu sein, dass das Leben durchaus angenehmer machen kann, aber nicht unbedingt machen muss.

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