Dokumentarfilm „Lovemobil“: Über Sexarbeit am Straßenrand

Zwischen Einsamkeit, Langeweile und käuflichem Sex: So sieht das Leben von Prostituierten in einer abgelegenen Gegend in Niedersachsen aus. In Wohnwagen bieten sie ihre sexuellen Dienste an. Die Dokumentation „Lovemobil“ erzählt die Geschichte von Frauen, die von der Gesellschaft oft vergessen werden.

Im Video: Lovemobil Official Trailer


Dokumentarfilm über Prostituierte am Straßenrand

Die meisten Leute haben ein genaues Bild vom Rotlichtmilieu auf der Reeperbahn in Hamburg oder von anderen Liebesmeilen in Deutschland. Doch Sexarbeit ist weit mehr. Oft werden sexuelle Dienste im Verborgenen angeboten – da, wo es niemand mitbekommt. Etwa am Straßenrand, zwischen Spargelfeldern und Windrädern, wo sich Liebesdamen in schick dekorierten Wohnwagen erotisch herrichten und Kundschaft empfangen.

Wer nachts schon mal auf Niedersachsens Landstraßen unterwegs war, dem wird dieses Bild bekannt vorkommen. So wie der Filmemacherin Elke Margarete Lehrenkrauss, selbst aus Gifhorn stammend, die nun einen Dokumentarfilm über Prostituierte in dieser abgelegenen Gegend in ausgewählte deutsche Kinos bringt. Der Titel: „Lovemobil“. Sie gibt Frauen eine Stimme, die am Rande der Gesellschaft lebend normalerweise kein Gehör geschenkt bekommen. Und das tut sie auf beeindruckende Art und Weise.

Geschichte von zwei Sexarbeiterinnen – und deren Vermieterin

Nur mit ihrem Kameramann Christoph Rohrscheidt im Schlepptau begleitete Lehrenkrauss für ihren Film zwei Prostituierte, Rita aus Nigeria und Milena aus Bulgarien, sowie deren Vermieterin Uschi über einen Zeitraum von zwei Jahren. Insgesamt gab es 60 Drehtage.

Uschi ist gewissermaßen die Zuhälterin der beiden Prostituierten – obwohl das im weiteren Sinne nicht wirklich zutrifft. Zwar vermietet sie an Sexarbeiterinnen Wohnwagen und ist penibel darauf bedacht, pünktlich die Tagesmiete von 70 Euro gezahlt zu bekommen. Allerdings ist sie mitunter auch gute Freundin, Psychologin oder einfach nette Gesprächspartnerin für die Frauen. Im Film blitzt neben ihrem harten Kern immer mal wieder ihre weiche und mitfühlende Seite auf.

Lovemobil Film Rita

Und die Sexarbeiterinnen? Vielleicht mag es den ein oder anderen überraschen, aber in „Lovemobil“ wird deutlich, dass es trotz Tristesse und Ausweglosigkeit für die Prostituierten auch viele Momenten der Glückseligkeit gibt und stets ein kleiner Hoffnungsschimmer am Ende des Horizonts auf sie wartet. Auf der einen Seite bekommt man als Zuschauer die eiskalte Realität vor Augen geführt. Und die bedeutet: Sex gegen Geld – ohne Zwang, aber freiwillig verkaufen die Frauen ihren Körper strenggenommen auch nicht. „Ich wollte diese Grauzonen zeigen und die Machtstrukturen deutlich machen“, so Lehrenkrauss gegenüber der taz.

Auf der anderen Seite lachen die Frauen aber auch mit ihren Kolleginnen – oder besser Freundinnen. Sie haben zusammen Spaß. Man guckt Serien oder unterhält sich miteinander. Trotzdem ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein Schleier der Einsamkeit stets über den Wohnwagen wabert. „Lovemobil“ führt das dem Zuschauer mehr als deutlich vor Augen.

Kein voyeuristischer Blick auf Sexarbeit

Der Film zeigt keinen Sex. Das war Lehrenkrauss ganz wichtig. Sie wollte einen distanzierten Blick auf das Leben und die Arbeit der Prostituierten in den Lovemobilen werfen, ohne dass es voyeuristisch wirkt. Wenn mal ein Freier zu sehen ist, soll das nur die Arbeitsbedingungen der Frauen aufzeigen – nicht mehr.

Eine journalistische Arbeit in Form einer Sozialreportage ist „Lovemobil“ jedoch auch nicht. Filme, die Sexarbeit negativ darstellen und in dem Zusammenhang Themen wie „Ausbeutung“ und „Zwang“ behandeln, gebe es Lehrenkrauss zufolge genügend. Sie verzichtet deshalb komplett auf eine Erzählerstimme. Alles, was der Film transportiert, geschieht über Dialoge. Und selbst die Momente, in denen nicht gesprochen wird und eine unangenehme Stille herrscht, sagen mehr als es tausend Worte je könnten.

Mehrere internationale Auszeichnungen

Lehrenkrauss studierte an der Kölner Kunsthochschule für Medien. Davor erwarb sie in Luzern ein Diplom in Videokunst. Ihr ursprünglicher Plan war es, einen „experimentellen dokumentarischen Kurzfilm“ über die Lovemobile zu machen, den sie jedoch schnell wieder verwarf. Der Stoff gab einfach zu viel her, um alle wichtigen Aspekte des Themas in 20 bis 30 Minuten abzuhandeln. So reifte in ihr der Entschluss, einen Film in Kinolänge zu machen. Die finale Fassung, wie sie aktuell im Kino gezeigt wird, hat eine Länge von 103 Minuten.

„Lovemobil“ wurde schon mit mehreren Filmpreisen bedacht – sowohl national als auch international. Er erhielt Preise in Los Angeles sowie in Camden an der Ostküste der USA. Hierzulande kamen beim Unabhängigen Filmfest in Osnabrück der Friedenspreis sowie in Braunschweig der Heimspielpreis und der mit 5.000 Euro dotierte Frauenfilmpreis „Tilda“ dazu.

„Lovemobil“ läuft vom 2. März bis 5. April 2020 in ausgewählten deutschen Kinos in Städten wie Hamburg, Hannover oder Leipzig. Mehr Infos zum Film gibt es hier.